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Den nachfolgenden Text haben wir freundlicherweise von Herr Dr. G. H. Döring und Frau R. Schauer zur Veröffentlichung erhalten. Er erschien am 10. März 2004 im Neckarblick.

Krisen mit fachkundiger Begleitung überwinden

Depression – ein Tabu wird kleiner

Finanziell, psychisch, pädagogisch oder sozial kann man in Situationen kommen, die sich ohne fachkundige Beratung, Begleitung und Betreuung schlecht oder gar nicht auflösen lassen. Doch wer weiß Rat, wo bekommt ein Betroffener Hilfe? Eine erste Orientierungshilfe bietet der neue „Wegweiser soziale Einrichtungen in Nürtingen“ mit dem Untertitel „Wenn ich nicht mehr weiterweiß“. Er wird nach Auskunft von Dr. Gert H. Döring, Arbeitskreis Leben (AKL), gut angenommen. Der NECKARBLICK unterhielt sich mit dem Kinder- und Jugendpsychotherapeuten, warum Lebenskrisen noch immer versteckt werden.

 

Es gibt Situationen, in denen es nahe liegt, sich einen fachkundigen Rat zu holen. Sei es nun bei der Schuldnerberatung oder wegen Selbsttötungsgedanken. Trotzdem genieren sich viele Leute immer noch. Wie hoch ist die Hemmschwelle, zu offenbaren, dass man Unterstützung braucht?

Dr. H. Döring: Je jünger die Betroffenen sind, desto größer ist die Hemmschwelle. Als der ALK noch im gleichen Haus wie der Malteser Hilfsdienst untergebracht war, hat eine Klientin Beobachter gerne in dem Glauben gelassen, sie gehe bei den Maltesern ein und aus. Niemand sollte sie verdächtigen, den Arbeitskreis Leben zu besuchen. Sie war richtig froh, dass die Malteser ein Stockwerk über uns ihre Räume hatten. Das ist typisch: man will nicht mit „psychisch“, „psychologisch“ oder „psychiatrisch“ in Verbindung gebracht werden.

Warum?

Döring: Weil damit verbunden ist, dass man nicht in Ordnung ist, eine Macke hat.

Hier tut sich ein ziemlich großer Widerspruch auf, denn etwa vier Millionen Menschen leiden in Deutschland an Depressionen, man spricht inzwischen von einer „Volkskrankheit“. Es wird behauptet, dass jeder neunte Patient, der zum Hausarzt kommt, betroffen ist. Akut Erkrankte würden sich aber vermutlich lieber die Zunge abbeißen, als am Arbeitsplatz den Kollegen zu informieren, dass sie an einer Depression leiden. Gegebenenfalls entschuldigen sie sich mit einer Grippe oder Magenverstimmung. Und das, obwohl sich ja auch immer mehr Prominente zu psychischen Erkrankungen bekennen. Sogar Fußballspieler, die als „hart im nehmen gelten“, machen aus ihrer Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus kein Geheimnis mehr. Warum ist das Tabu trotzdem so hartnäckig?

Döring: Das ist ein Punkt, an dem wir seit 20 Jahren arbeiten. Über Öffentlichkeitsarbeit und intern über Vorträge, Fortbildungen versuchen wir, an dem Tabu zu kratzen und bieten Betroffenen ganz konkrete Hilfen an. Depressionen können zu Selbsttötungsabsichten führen. Viele, die sich umbringen, sterben in Verbindung mit einer Depression. Ich denke, dass das Tabu heute nicht mehr so groß ist wie vor 20 Jahren. Weil es eben viele kleine Einrichtungen wie uns gibt – mit vielen Klienten, die sich davon überzeugen ließen, dass es gut ist, wenn man über sein Leid spricht. Es hilft natürlich auch, wenn Prominente sich „outen“. Aber es dauert viele Jahre, bis etwas, das ursprünglich tabuisiert war, als „normal“ angesehen wird.

Wie verhalte ich mich am Arbeitsplatz, wenn ich den Eindruck habe, dass mein Kollege zu still, zu zurückgezogen und zu niedergedrückt ist?

Döring: Ich würde ihn ansprechen. Das einzige Risiko, das Sie dabei haben, ist, dass er sagt: „Mir fehlt nichts, es ist alles in Ordnung.“ Das werden viele sagen. Es kommt dann auf die Situation an, ob ich meine Zweifel äußere und frage, ob ich irgendwie hilfreich sein könnte angesichts der Belastung, an der der andere offenbar schwer trägt. Aber vermutlich wird sich selten ein längeres Gespräch einfädeln lassen, da der so offensichtlich Belastete sich in der Regel zu schützen versucht, damit er auf der Arbeitsgeberseite kein Misstrauen erregt. Es kommt überdies darauf an, ob der Betroffene erreichbar ist. Leider ist es wahrscheinlich, dass er sich zurückzieht.

Ein Klient, der mittlerweile wieder gesund ist, hat mir erst unlängst geschildert, wie wenig echte Kommunikation während seiner Depression möglich war. Er hat zwar darüber gesprochen, dass er eine akute Depression habe, hat aber nicht realisieren können, wie er auf andere wirkt. Entsprechend karg waren seine Reaktionen.

Das zeugt von der Verengung, die bei einer Depression passiert. Man sieht nur noch einen Punkt, das Leiden – alles andere ist irgendwo im Dunkeln. Auch die Mitmenschen sind im Dunkeln; ihre Signale, Kontaktversuche usw. werden nicht so wahrgenommen wie im gesunden Zustand. So muss man sich eine Depression vorstellen.

Heißt das, selbst Familienangehörige können häufig nicht zu dem Depressiven durchdringen?

Döring: Ja, der Depressive sucht überwiegend die Abgeschiedenheit, die Ruhe. Er ist teilweise völlig in seinem Zustand gefangen und fühlt sich von allem anderen überfordert. Das gilt zumindest für eine bestimmte Phase. Da kann es sein, dass er vorm Telefon sitzt und sein Fernbleiben vom Arbeitsplatz beim Arbeitgeber nicht entschuldigen kann. Was ihm beweist: er schafft plötzlich das Normalste nicht mehr. Er kann sich seine Handlungsunfähigkeit selbst nicht erklären. Aber sie ist da. Er vermag sie nicht zu überwinden. Nicht selten keimt dann zusätzlich Scham auf, eben weil die Abweichung vom „ordnungsgemäßen Verhalten“ doch schmerzlich registriert wird und keine Handlungsalternativen aktivierbar sind.

Ist Depression eine Stoffwechselkrankheit?

Döring: Es gibt vielfältige Ursachen, die sich auch überschneiden können. Eine davon ist eine Stoffwechselstörung. Es handelt sich um ein sehr komplexes Krankheitsgeschehen, und oft weiß man nicht, welche unterschiedlichen Komponenten wie zusammenspielen. Als Therapie hat es sich bewährt, wenn Medikamente gegeben werden und gleichzeitig eine psychotherapeutische Behandlung stattfindet. Letzteres ist aber erst möglich, wenn er Patient zugänglich ist, wenn er Veränderungen will. Und wenn er in der Lage ist, diese Veränderungen auch als gestaltbar einzustufen.

Kann man eine Depression auch „aussitzen“?

Döring: Das ist nur möglich, wenn es keine schwere Depression ist. 

Beeinflusst eine Depression auch die Abläufe im Organismus wie beispielsweise Blutdruck und Verdauung?

Döring: Das kann durchaus sein. Kompliziert in diesem Sachgebiet ist, dass jeder von einer Depression spricht, aber möglicherweise jeder von einer anderen Form. Zum Beispiel gibt es die Alters-, die Wochenbett- oder die reaktive Depression, um nur einige zu nennen.

Können sich auch Angehörige beraten lassen?

Döring: Ja. Das ist sogar sehr wichtig. Zum Glück hat man in den letzten Jahren verstärkt erkannt, dass man Angehörigen dabei helfen kann, sich gegenüber dem Erkrankten unterstützend zu verhalten.

Die Empfehlung „Reiß’ dich doch zusammen!“ sollte man sich wohl besser verkneifen ...

Döring: Solche Sätze sind weder aufbauend, noch nehmen sie die Not des anderen wirklich ernst. Nach einer Beratung können Angehörige vielleicht hilfreicher sein, als sie es je vorher wussten.

Kann man Depressionen in jedem Alter behandeln? Erfolgreich behandeln?

Döring: Im Prinzip ja. Die größten Hemmschwellen gibt es – wie gesagt – bei Jüngeren, aber auch bei Älteren ergeben sich besondere Komplikationen. Bei der Altersdepression ist festzustellen, dass Betroffene häufig annehmen, ihnen könne sowieso niemand mehr helfen. Wenn sie sich als von der Gesellschaft schon „aufgegeben“ betrachten, keine Aufgaben und keine Sinnerfüllung mehr haben, fällt es ihnen schwer, sich für eine Veränderung zu mobilisieren. Erfreulicherweise hat sich in der Fachwelt eine andere Haltung zur Depression im Alter entwickelt. Im Gegensatz zu früher werden jetzt auch Therapien ab 60 Jahre und älterer als sinnvoll und hilfreich erachtet. Entsprechende Anlaufstellen sind in dem grünen Führer „Nürtinger Beratungs- und Betreuungsangebote für ältere Menschen“ verzeichnet. Ich würde zumindest zur Kontaktaufnahme zu beispielsweise dem Sozialpsychiatrischen Dienst für alte Menschen (SOFA) raten.

Herr Dr. Döring, vielen Dank für dieses Gespräch! RS

AKL-Angebote

Niemand muss mit einer Krise allein bleiben. Auch wenn es schwer fällt, Hilfe von „außen“ in Anspruch zu nehmen – es kann befähigen, Lösungen zu finden und neue Perspektiven zu entwickeln. Hierfür versteht sich der Arbeitskreis Leben (AKL) e. V. als Ansprechpartner. Seine vielfältigen Hilfsangebote: Selbsthilfegruppen, Beratung, Krisenintervention und -begleitung, Prävention und Nachsorge (zum Beispiel nach einem Selbsttötungsversuch).

Am Krisentelefon (Nr. 07022/19298) erreichen Hilfe-Suchende während der AKL-Sprechzeiten Fachkräfte, sonst können sie auf Anrufbeantworter ihren Wunsch nach einem Rückruf hinterlassen. An Wochenenden und Feiertagen werden die Anrufbeantworter regelmäßig abgehört und die diensthabende Fachkraft ruft in dringenden Fällen zurück und geht den Anfragen auch buchstäblich nach.

Die Krisenbegleitung bedeutet eine Begleitung im Alltag, je nach dem, bei welchen Anlässen sie der oder die Hilfe-Suchende braucht bzw. wünscht. Diese Begleitung im Alltag wird von Ehrenamtlichen (die korrekte Bezeichnung lautet „unentgeltlich bürgerschaftlich Engagierte“) geleistet. Die Beziehung zwischen einem Mensch in der Krise und seinem Begleiter ist in der Regel symmetrisch – das heißt „von gleich zu gleich“.

Sprechzeiten des AKL, Bahnhofstraße 2/1: Montag bis Freitag 10 – 12, Dienstag und Donnerstag 14 – 17 Uhr.

Für junge Menschen: Dienstags 14 – 16 Uhr. Telefon 07022/39112.

„Mit der Trauer leben lernen – verwaiste Eltern“ ist ein fortlaufendes Gruppenangebot. Hinterbliebene Angehörige treffen sich unter der Leitung von Frau Maute jeden letzten Montag im Monat, um 19.30 Uhr in den Räumen der Krisenberatungsstelle Nürtingen.

Über die Arbeit des AKL informiert die Broschüre „Beratung und Begleitung in Lebenskrisen“ sowie einige Internet-Seiten: www.akl-nuertingen.de und www.ak-leben.de

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You can find many good articles about depressions and suicide prevention on the following website:

www.psychologyinfo.com
 

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